Gerade als die Debatte um die Abschiebepraxis nach Afghanistan Ihren Höhepunkt erreichte, trat ein Mandant mit ganz anderem Hintergrund an uns heran. Der junge Mann sollte abgeschoben werden … nach Österreich. Viele werden sich nun denken „das geht doch gar nicht, die gehören doch zur EU“. Das ist zwar richtig, doch auch EU-Ausländer können in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden! In diesem Fall stellt die zuständige Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts fest, der Betroffene ist zur Ausreise verpflichtet und kann daher auch abgeschoben werden.
Enge Voraussetzungen
Die Ausweisung eines EU-Ausländers ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Nach dem EU-Vertrag kann die Freizügigkeit von Unionsbürgern eingeschränkt werden, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist. Was dies konkret bedeutet ist jedoch stets für den Einzelfall zu ermitteln. Der Verstoß gegen Formvorschriften, die Einreise oder Aufenthalt betreffen, ist kein ausreichender Grund. Dass man versäumt hat, seine Aufenthaltserlaubnis verlängern zu lassen, ist alleine ebenfalls kein Grund für eine Ausweisung.
Ebenso wenig darf ein EU-Ausländer wegen Krankheit ausgewiesen werden. Wegen bestimmter Krankheiten darf nur die Einreise oder die erste Aufenthaltserlaubnis verweigert werden.
Straffällige EU-Ausländer
Wird ein EU-Ausländer während seines Aufenthaltes in einem Mitgliedstaat straffällig, so kann ihm die Ausweisung drohen. Die strafrechtliche Verurteilung allein kann jedoch nicht zu einer Ausweisung oder Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis führen. Vielmehr muss eine „tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung“ vorliegen, die „ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“, so der EuGH. Wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt, so ist eine Ausweisung nicht zulässig. Anders ist es jedoch bei besonders schwerwiegenden Straftaten, wie im Bereich der Rauschgiftkriminalität. Hier kann im Einzelfall die Verurteilung wegen einer einzigen Tat die Ausweisung begründen, wenn aufgrund des Verhaltens und der Gesamtpersönlichkeit des Täters die konkrete Gefahr erneuter Verstöße gegen Strafvorschriften besteht. Alleinentscheidend ist hier das persönliche Verhalten des Betroffenen sein. Generalpräventive Ausweisungen, daher zur Abschreckung anderer Ausländer, ist nicht zulässig. Es bedarf daher einer intensiven Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des Nachtatverhaltens.
Diese Maßstäbe gelten auf Grundlage eines Assoziationsabkommen weitestgehend auch für türkische Arbeitnehmer, entschied der zuständige 1. Senat. Die Bundesrichter reagierten damit auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. (Az.: BVerwG 1 C 30.02 und BVerwG 1 C 29.02)
Wie unser Fall ausgehen wird ist noch unklar. Die Ausländerbehörde hat um eine Stellungnahme zur beabsichtigten Feststellung des Verlusts der Freizügigkeitsrechte gebeten. Sollte daraufhin ein entsprechender Bescheid erlassen werden, besteht die Möglichkeit vor dem Verwaltungsgericht gegen diesen zu klagen.
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Quellen:
www.beck.de
www.eu-info.de
www.bmi.bund.de
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