Der Bundesgerichtshof hat sich am letzten Mittwoch in einer Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Umständen eine durch den Vermieter einer Wohnung wegen Eigenbedarf gestützte Kündigung unwirksam ist. Hierbei haben sich die Richter auf die Seite des Vermieters gestellt. Im konkreten Fall hat der Vermieter das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt, da seine 20 Jahre alte Tochter, die nach ihrem Abitur ein Jahr in Australien verbracht hat, nach Deutschland zurückgekehrt ist, danach eine Arbeitsstelle in Frankfurt/Main antrete und ein berufsbegleitendes Studium in Mannheim aufnehme. Sie wolle nach ihrer Rückkehr eine eigene abgeschlossene Wohnung beziehen. Vor ihrem Auslandsaufenthalt habe sie ein Zimmer bei ihren Eltern bewohnt. Der Mieter widersprach der Kündigung, weil der Eigenbedarf in seinen Augen für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar gewesen sei.
Der daraufhin vom Vermieter erhobenen Räumungsklage hat das Amtsgericht stattgegeben. Auf die Berufung des Mieters hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Eigenbedarfskündigung sei jedenfalls wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens reiche es bereits aus, wenn bei Vertragsschluss hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Mietverhältnis nur von kurzer Dauer sein werde. Das sei hier der Fall. Wenngleich sich die Tochter des Vermieters bei Abschluss des Mietvertrags noch keine konkreten Vorstellungen über einen Auszug aus dem elterlichen Heim gemacht haben möge, hätte der Vermieter bei verständiger Betrachtung den Eigenbedarf voraussehen können und müssen.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gestützte Kündigung hier nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist. Zwar liegt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein widersprüchliches rechtsmissbräuchliches Verhalten vor, wenn der Vermieter Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, ihn alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf in diesen Fällen dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt.
Kein Rechtsmissbrauch liegt dagegen vor, wenn das künftige Entstehen eines Eigenbedarfs für den Vermieter zwar im Rahmen einer – von Teilen der Instanzrechtsprechung erforderlich gehaltenen – „Bedarfsvorschau“ erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber bei Mietvertragsabschluss weder entschlossen gewesen ist, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen hat. Denn bei verständiger und objektiver Betrachtung bringt ein Vermieter dadurch, dass er dem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über den Stand und die mögliche Entwicklung seiner familiären und persönlichen Verhältnisse (etwa Heranwachsen von Kindern, drohende Trennung von Familienangehörigen, Erkrankung, berufliche Veränderungen) macht, regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließen kann. Würde vom Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrags eine solche – sich nach einer verbreiteten Auffassung auf bis zu fünf Jahre erstreckende – Lebensplanung verlangt werden, würde dessen verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit missachtet, über die Verwendung seines Eigentums innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei zu bestimmen.
Für die – in erster Linie dem Tatrichter obliegende – Beurteilung, ob der Vermieter entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen oder ein solches Vorgehen ernsthaft in Betracht gezogen hat, darf allerdings nicht allein auf seine Darstellung abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf eine Würdigung der Gesamtumstände an. Dabei kann auch auf objektive (äußere) Umstände zurückgegriffen werden, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Kenntnisstand des Vermieters bilden.
Dass den Vermieter keine Verpflichtung zu einer „Bedarfsvorschau“ trifft, stellt den Mieter nicht schutzlos. Will er das Risiko künftiger Entwicklungen nicht auf sich nehmen, kann er für einen gewissen Zeitraum einen beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder einen einseitigen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung vereinbaren.
Der Rechtsstreit wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen zu dem – vom Mieter bestrittenen – Vorliegen einer Eigenbedarfssituation und zu den von ihr geltend gemachten Härtegründen (§ 574 BGB) getroffen werden können.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14
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